2001 : «Museum im Umbruch - Museum in der Krise»
Lehrveranstaltung am Kunsthistorischen Seminar der Universität Basel, Sommersemester 2001
Die aktuelle Diskussion um Status und Ausrichtung von Kunstmuseen wird durch zwei Notwendigkeiten begrenzt. Die Museen sehen sich im täglichen Betrieb einer beschleunigten Konkurrenzsituation ausgesetzt: Immer mehr Häuser bieten immer mehr Ausstellungen an, für die es zunehmend schwieriger wird, Leihgaben, Mittel und Kooperationspartner zu finden, ohne die sich die politisch geforderten Besucherzahlen im wachsenden Freizeitangebot nicht mehr erzielen lassen. Die Perspektive der Kuratoren wird notgedrungenerweise zu einem Grossteil auf kurzfristige Planungen zurückgebunden. Auf der anderen Seite erfordert die wachsende Konkurrenz klare spezifische Profile der einzelnen Häuser, zumal dann, wenn eine der zahlreichen Neugründungen oder Erweiterungen ansteht. Profile lassen sich aber nicht gewinnen, wenn die Diskussion nicht aus dem Zeitgeisthorizont herausgeführt und auf eine historische Dimension geöffnet wird. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung am Basler Kunsthistorischen Institut suchten das Terrain durch eine Kreuzfahrt zwischen Skylla und Charybdis zu ergründen.
Dabei zeigte sich, dass ein historischer Rückgriff zu mehr Gelassenheit für die Einschätzung der Gegenwart verhelfen kann: So lässt sich etwa der Dialog aus Traditionsbruch und Traditionsstiftung bis hin zur Verweigerung des Museums durch die Künstler der Land Art oder die Interventionisten der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts bis zu Denons, vom romantischen Chefkritiker Friedrich Schlegel heftig kritisierten Hängekonzeption im Louvre als Konstante lebendiger Museumsarbeit zurückverfolgen. Oder ein scheinbar so innovatives Museumskonzept wie die Konzernstrategie von Guggenheim-Direktor Thomas Krens erweist sich als Neuauflage eines alten Systems, in dem der Künstler als Unternehmer für Ausstellungen und zunehmend für Museen produziert.
Geschärft für die gegenwärtige Diskussion wird der historische Diskurs durch zwei Positionen: Zum einen sieht sich die Institution Museum als Teil einer umfassenden Kompensationsleistung, die Kultur (im Sinn von Hermann Lübbe und Odo Marquard) zu erbringen hat und in der umfassenden Musealisierung hochindustrialisierter Gesellschaften formuliert. Die Frontposition nimmt hier der russische Kulturkritiker Boris Groys ein, wenn er Duchamps Readymade, also das industrielle Produkt zum Angelpunkt seiner Reflexionen macht und das Museum im Modernediskurs um das Neue bestimmt als einen zeitenthobenen entropischen Raum, in dem Haltungen und Stile sich beliebig mischen und Ordnungen nur äusserliche Setzungen sein können. Herausgefordert sieht sich diese André Malrauxs Formel vom "musée imaginaire" merkwürdig nahe Position durch Adornos dialektisches Pendeln zwischen Proust und Valéry: Während Valéry eine spätromantische Werkautonomie einklagt, konstituiert Proust Bedeutung aus der Interaktion der Interpretationen. Beidem, dem produktions- wie dem rezeptionsästhetischen Postulat muss praktische Museumsarbeit genügen. Wie das dann aussehen kann, dafür gibt es erfahrungsgemäss keine Rezepte.
Gerhard Mack