Sektion des Monats

 

Nachrichten von Peter Studer, Präsident des Schweizer Kunstvereins – 4. November 2010

1. Aus den Kunstvereins-Sektionen - Der Schweizer Kunstverein gratuliert

Grosse und mittelgrosse Sektionen des Schweizer Kunstvereins mitsamt ihren Häusern begehen dieses Jahr Jubiläen. Wir gratulieren!

1.1. Etwas ausführlicher möchten wir auf das Kunsthaus Zürich eingehen – die mittragende Kunstgesellschaft Zürich ist unsere grösste Sektion (mit rund 20’000 Mitgliedern), und ihr Obolus an den Dachverband ist für unsere eigenen kunstpolitischen und kunstvermittelnden Projekte lebenswichtig. Das Kunsthaus Zürich strahlt als "Leuchtturm" in der europäischen Kunstlandschaft. Jetzt gerade hängt ein Plakat mit drei Zahlen an der Aussenwand des Bührle-Flügels:

 - 1787 Gründung des Künstlervereins, Vorläufer der Kunstgesellschaft
 - 1910 Bau des heutigen Kunsthauses (ein Hauptwerk Karl Mosers)
 - 2015 erhoffte Eröffnung des Neubaus schräg gegenüber am Heimplatz

Zum 100. Geburtstag hat sich das Kunsthaus etwas Besonderes einfallen lassen: Eine "Zeitreise" in das Jahr 1932, "zurück in die Moderne", als Picasso höchstpersönlich seine erste Museumsausstellung überhaupt in Zürich einrichtete. Picasso war damals 51-jährig, für seine Zeitgenossen auf dem Zenith seiner Laufbahn. Die Schau umfasste 224 Werke; 70 hat Kurator Tobia Bezzola in der ganzen Welt von New York bis Teheran aufgespürt.

Hier ist natürlich nicht der Ort für eine der vielen Rezensionen. (Auch unsere Zeitschrift "Kunstbulletin" kommt auf einen Aspekt des Grossanlasses zurück). Aber ich habe ein kurzes "Making of"- Gespräch mit Kurator Tobia Bezzola geführt, mit ihm sozusagen hinter die Kulissen geschaut und einige politische Fragen gestellt. Auch um einem dümmlichen Blogger zu entgegnen, der behauptete, wenn denen am Kunsthaus nichts einfalle, hängten sie ein paar Picassos auf".

In Bezzolas Büro zuoberst in der Villa Tobler hinter dem Kunsthaus steht ein grosses Modell des Bührle-Saals mit dem Zickzack der für "Picasso" eingebauten Wände; davor liegen verstreut kleine Reproduktionen der gehängten Bilder.

Dokumentiert das Modell, dass Sie bis unmittelbar vor der Eröffnung Bildhängungen ausprobieren konnten?

Nein, so läuft das bei Ausstellungen mit internationalem Hochwertbestand nicht mehr. Die Bilder, von einem Kurator des Leihgebers begleitet, treffen an unterschiedlichen Tagen ein, werden ausgepackt, inspiziert und in Gegenwart des Begleiters mit grösster Sorgfalt sofort gehängt. Erst dann wird das Leihprotokoll unterzeichnet.

Wann haben Sie mit den Vorbereitungen begonnen? 

Direktor Christoph Becker und ich haben 2005 mit den Vorgesprächen begonnen. 2007 erhielt ich grünes Licht, nachdem sich die Machbarkeit abzeichnete.

Was war Ihre Hauptschwierigkeit bei der detektivischen Suche nach Bildern und Leiherlaubnis?

Mit dem lebhaften "Blockbuster"-Betrieb grosser Häuser hat sich weit herum eine gewisse "Leiherschöpfung" herausgebildet. Die täglich Schlange stehenden Besucher eines MoMa (Museum of Modern Art in New York) erwarten, im Innern auf die beworbenen Ikonen grosser Künstler zu treffen. Fast für jedes Bild, das jetzt in unserer Ausstellung "Picasso" hängt, gab es zuerst Absagen. Picassos Erben sind zerstritten. Das Kunstmuseum Basel war sehr kooperativ; aber das berühmte, vom Künstler mitkonzipierte Musée Picasso in Paris verweigerte sich jeder Ausleihe. Gerade in Teheran hat sich die Schweizer Diplomatie sehr eingesetzt. Eine Trumpfkarte konnten wir natürlich ausspielen: Wir leihen selber aus unserer grossen Sammlung aus. Do ut des (ich gebe – du gibst).

Der historisch hochinteressante Katalog enthält die Provenienzen und auch die volle Liste der Ausstellung 1932 (nebenbei schwadronierende Zitate von C.G. Jung voller Fehlurteile über Picasso). Sie haben alle Standorte der damaligen Bilder gefunden…

…bis auf eines, Nr. 221, aus der Serie "Marie-Thérèse", und auch bei dem glaube ich zu wissen, wo es ist. Einige auf Investitionsgewinne erpichte Eigentümer halten ihre Bilder eben diskret in Banksafes. 

Wie gingen Sie mit dem Versicherungsproblem um?

Die Versicherungskosten dürften gegen 2,4 Mio. Schweizer Franken betragen haben. Wir arbeiten über hiesigen Broker; es sind drei Versicherungen beteiligt.

…Folglich halten Sie den bis 2016 auf die lange Bank geschobenen Artikel 10 des neuen Kulturförderungsgesetzes, laut dem der Bund Unterstützung für Versicherungsprämien bei überregional wichtigen Ausstellung ausrichten "kann", für sinnvoll?

Unbedingt. Im Unterschied zur internationalen Konkurrenz stehen wir allein. Bei der kürzlichen Rodin-Ausstellung konnte das mitorganisierende Museum in London auf Staatshilfe zählen und erzielte dank der Besuchermassen schwarze Zahlen; wir bezahlten alles selber und blieben trotz guten Besuchs im Defizit. Das geht letztlich zulasten unseres Ausstellungsbetriebs. Bei der aufwändig vorbereiteten und für das Geschichtsbewusstein wichtigen Ausstellung "Die Kunst des jungen Bundesstaats" (1998) erhielten wir vom Bund keinen Rappen. Die wichtige Ausstellung mit dem deutschen Spitzenfotokünstler Struth (2010) dürfte auf bloss 5% der Besucherschaft von "Picasso" kommen..

Wobei die ganze Ausstellung "Picasso" 1932 die damals sensationell hohe Zahl von 34 000 Besuchern anzog; diesmal sind es in der dritten Woche schon über 40 000. Weiterhin Bonne chance!


1.2. Schon bei unserer diesjährigen Delegiertenversammlung hat der Schweizer Kunstverein seine Reverenz in Aarau erwiesen:
Vor 150 Jahren wurde der Aargauische Kunstverein gegründet, das Aargauer Kunsthaus kann auf eine 50-jährige Geschichte zurückblicken und seit 15 Jahren bietet das Kunsthaus professionelle Kunstvermittlung an. Die drei Jubiläen motivierten nicht nur zu einer Rückschau, sie regten auch an zu einem Blick in die Zukunft. Der Kunstverein engagiert sich mit der Gründung des schweizweit ersten Junior-Kunstvereins für die jungen Kunstfreunde von morgen und das Aargauer Kunsthaus thematisierte mit zwei Ausstellungen die Erinnerung als Basis für die Zukunft. Als Höhepunkt im Jubiläumsjahr fand im August ein grosses Kunsthaus-Fest statt.


1.3. Der Thurgauische Kunstverein –
der in Frauenfeld (noch) kein eigenes Museum unterhält, aber verschiedene Räume bespielt - hat sein 75-jähriges Jubiläum in der ältesten Turnhalle der Schweiz begangen. Eine Ausstellung zeigte Werke aus der eigenen Sammlung in einem Gebäude am selben Platz.


1.4
. Zwar nicht mit einer unserer Sektionen verbunden und von einigen lokalpolitischen Querelen erschüttert, beging das Musée d'art et d' histoire in Genf Mitte Oktober sein 100-jähriges Jubiläum mit einem zweitägigen Festprogramm.

Bitte informieren Sie uns über Jubiläen Ihrer Kunstvereine und –gesellschaften. Der Präsident nimmt nach Möglichkeit an den Feierlichkeiten teil. Er ist auch bereit, über
a) "Eidgenössische Kulturpolitik und die Forderungen der visuellen Kunst" oder 
b) "Der Schweizer Kunstverein, 200-jährig und noch kein bisschen müde" in gewünschter Länge zu sprechen.


1.5. Société des beaux-arts et du musée, Le Locle: Triennale de l’art imprimé contemporain:
A l’occasion de la septième Triennale de l’art imprimé contemporain, le Musée des beaux-arts du Locle a désigné les lauréats du Prix de la Ville du Locle et du Prix d’encouragement, distinctions destinées à soutenir le travail d’artistes actifs dans le domaine de l’estampe, de façon ponctuelle ou courante. Un jury réunissant les représentantes des principaux cabinets d’estampe en Suisse ont ainsi remis le Prix de la Ville du Locle à Didier Rittener (Lausanne, *1969) et le Prix d’encouragement à Silvia Buonvicini (Zurich, *1966).

2. Kunst- und Kulturpolitik

Präsident und Vorstand arbeiten an der Vernehmlassung zur neuen Kulturbotschaft, die am 24. November 2010 einzureichen ist. Die Kulturbotschaft wird für die vier Jahre 2012 – 2016 die Ziele und – vor allem – die Bundesausgaben zuhanden des Parlaments festlegen. Wir werden unsere Vernehmlassung aus dem Blickwinkel der Förderung visueller Kunst im nächsten "Kunstbrief" anfangs Dezember abdrucken (vgl. auch die früheren Kunstbriefe über die Genesis unserer Haltung).
Lesen Sie auch den Artikel von Peter Studer in der NZZ vom 27.10.2010 „Die Erbsünde bei der Kulturförderung“.

3. Die Geschäftstelle des Schweizer Kunstvereins meldet:

Das Kunstbulletin und der Schweizer Kunstverein suchen in Zürich an zentraler Lage ab Sommer 2011 neue, bezahlbare Redaktions- und Büroräume (ca. 80-100qm für max. CHF 2000.-), damit wir unser kostbares Heft weiterhin zu einem attraktiven Preis anbieten können und sich der Schweizer Kunstverein für Kunstförderung, Kunstvermittlung und Kulturpolitik in der Schweiz engagieren kann.

Wir danken Ihnen fürs Weitersagen und freuen uns über jeden Tipp!

Mit freundlichen Grüssen

Ihr Peter Studer,
Präsident des Schweizer Kunstvereins
praesident(at)kunstverein.ch
 

Schweizer Kunstverein
Die Dachorganisation für Kunstförderung, Kunstvermittlung und
Kulturaustausch - vertritt 34 Sektionen mit rund 46'000 Mitgliedern und 1 institutionelles Mitglied
Herausgeber des Kunstbulletins

Geschäftsstelle
Postfach 2272, 8026 Zürich
E: info(at)kunstverein.ch
W: www.kunstverein.ch
T: +41 044 298 30 35
F: +41 044 298 30 38